Archäologische Funde beim Erdgasleitungsbau 2000

Immer wieder weisen Archäologen, die tagtäglich mit der Bedrohung oder gar Zerstörung von Bodendenkmälern konfrontiert sind, auf die dringende Notwendigkeit hin, größere Bauvorhaben wie Neubaugebiete, Straßen aber auch Leitungstrassen bodendenkmalpflegerisch zu begleiten und im günstigsten Fall im Vorfeld von Bauarbeiten archäologische Arbeiten durchzuführen.
So hat Anfang März 1999 die Ruhrgas AG die Saarlouiser Firma KROISOS mit der archäologischen "Entsorgung" des 82 km langen, saarländischen Streckenabschnitts der künftigen Gaspipeline beauftragt. Zwischenzeitlich wurden bereits zwölf größere Fundplätze von der Vorgeschichte bis in die römische Zeit von den Archäologen aufgedeckt und ergraben.
Die saarländische Trasse ist in drei Baulose aufgeteilt. Die Gemeinde Fürth liegt auf Los 1, das von Lautenbach bis Steinbach reicht. Auf der Gemarkung Fürth wurden zwei bedeutsame Fundplätze entdeckt, die der Staatlichen Denkmalpflege bislang noch nicht bekannt waren.

Fürth  -   Fundplatz 1

Bei Fundplatz 1 von Fürth, unmittelbar an der L 289 gelegen, handelt es sich um eine römische Siedlung. Die Örtlichkeit wurde im Zuge der sogenannten baubegleitenden Untersuchungen aufgedeckt, die auf jenen Streckenabschnitten stattfinden, für die keine archäologischen Befunde in den Akten des Staatlichen Konservatoramtes verzeichnet sind. Um so erfreulicher ist, wenn gerade während der Baubegleitung Neues zutage gebracht wird - nicht zuletzt ein Beleg für die akribische Arbeit der Archäologen vor Ort.

An dem Fundplatz war ein erheblicher Maschineneinsatz von Nöten: Durch den "Ruhrgas-Bagger" (Firma Bohlen & Doyen) geschah der Mutterbodenabtrag, dann wurde die Fläche minutiös vom Bagger der Firma Kroisos freigelegt und zuletzt noch ein Brunnen mithilfe eines zusätzlichen Baggers aus- gehoben.

Die Vorarbeiten leitete Dr. Henz, die eigentliche Ausgrabung Frau Emser, M.A., beide Archäologen bei der Kroisos GmbH.

Blick von Fundplatz 2 auf den im Tal gelegenen Fundplatz 1. Der Pfeil markiert die Stelle, wo die Abfallgruben und der Brunnen freigelegt wurden.

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Insgesamt konnten zehn Fundstellen untersucht werden. Bei den ersten sechs handelt es sich um Abfallgruben unterschiedlicher Form und Größe. Der schwärzlich-humose Grubeninhalt wies kleinste Keramikfragmente und sehr weiche Holzkohlestücke auf. Lediglich eine Grube beinhaltete Schlackenreste, Beleg dafür, dass es sich tatsächlich hier um Abfallgruben handelt.

city_back.gif   Fundstellen 1 bis 6;  Ansicht von Osten

Südlich der Abfallgruben stießen die Ausgräber auf Fundstelle 7, einen Brunnen mit Sandsteinfassung. Er war abgedeckt mit dem ornamental verzierten Fragment eines Sandsteinfrieses, einem höchst bemerkenswerten und sicherlich museumswürdigen Objekt.
 

 Sandsteinfries über der Brunneneinfassung    city_next.gif

Der Brunnenschacht selbst wurde bis zu einer Tiefe von 4,20 m unter der rezenten Oberfläche, das heißt bis auf ein Niveau von -5,20 m unter Grabungsnull untersucht. Dann mussten die Arbeiten aus Sicherheitsgründen gestoppt und der Schacht sowie die umgebende Grube verfüllt werden.

  

city_up.gif   Brunneneinfassung nach der Entfernung des Sandsteinfrieses 

Brunnenprofil   city_next.gif 

Auch wenn die Brunneneinfüllung bis zum ergrabenen Niveau leider kein Fundmaterial erbrachte, war der Aufwand keinesfalls umsonst: Der Archäologe liest vieles aus den Befunden! Und so bleibt künftigen Wissenschaftler - Generationen die Chance in 100 oder 200 Jahren vielleicht das Geheimnis dieser Brunnensohle zu lüften.
Im weiteren konnte ein Pfosten, 70 cm in roten Lehm eingetieft und zusätzlich durch zwei Sandsteinblöcke arretiert, nachgewiesen werden. Im Sohlbereich wurden ein Keramikfragment, ein Knochenstück und Eisenbruchstücke geborgen.

city_back.gif  Pfosten

Zuletzt stießen die Archäologen von Koisos noch auf zwei weitere Abfallgruben (Fundstellen 9 und 10), die eine kompakte Ziegelpackung, mehrere durchweg stark korrodierte Eisengegenstände in schwarzer Brandschicht, zahlreiche Nägel und antik gebrochene Keramikfragmente beinhalteten.

Abfallgrube mit zahlreichen Ziegelfragmenten und Eisengegenständen  city_next.gif

Highlight des Fundplatzes 1 von Fürth ist zweifellos - trotz seiner Fundleere - der Brunnen mit seiner Abdeckung. Das außergewöhnlich verzierte Sandsteinfragment vom 1,0 x 0,80 m Größe wurde bereits in die staatliche Altertümersammlung des Saarlandes verbracht.
Bemerkenswert sind aber auch die acht Abfallgruben, die neben den bislang noch nicht zeitlich einzuordnenden Eisengeräten auch Keramik  und Ziegelfragmente römischer Zeit beinhalteten. Fundplatz 1 stellt sicherlich Teil einer umfangreichen römischen Siedlungsstelle dar, die bis in die Spätantike hinein bestand.

Fürth   -   Fundplatz 2

Die Geschichte von Fundplatz 2, nur 250 m entfernt von Fundplatz 1 gelegen, beginnt mit einem Skandal: Als nach den ersten Freilegungsarbeiten auf der Fläche durch Herrn Henz die Grabungsarbeiten an das Team von Frau Emser übergeben worden waren, wurde die Örtlichkeit in der Nacht vom 03. auf den 04. Februar geplündert. Unbekannte hatten zwei wichtige Befunde dieses hochinteressanten römischen Gräberfeldes entwendet, noch bevor sie von den Spezialisten freipräpariert werden konnten: eine Urne sowie eine kleine Steinkiste in Hausform mit zentraler rechteckiger Eintiefung zur Aufbewahrung des Leichenbrandes. Gerade letztere stellt einen besonders empfindlichen Verlust dar. Es wurden Herr Dr. Reinhard vom Staatlichen Konservatoramt und die Kripo Ottweiler eingeschaltet.

 city_up.gif  Fundplatz 2;  Ansicht von Fundplatz 1                            aus östlicher Richtung

Innerhalb der Grabungsgrenzen von Fundplatz 2 konnten sieben Fundstellen untersucht werden. Dabei wurden fünf Gräber ganz unterschiedlicher Grabsitte wowie zwei Gruben, die möglicherweise im Zusammenhang mit dem Grabbrauch zu interpretieren sind, festgestellt.
Das erste Grab, eine zwischen Keilsteinen arretierte Urne mit Leichenbrand, ist von den Grabräubern zerstört worden. Demnach können wir keine Aussagen über die Grabsitte oder in situ befindliche Beigaben machen.
Das Gleiche gilt für das Grab mit der hausförmigen Steinkiste. Der Bestattung waren ein kleiner Krug sowie ein antik beschädigtes Terra - Sigilllata - Schälchen mit Barbotine-Verzierung auf dem Rand beigegeben. Ein weiteres Gefäß ist von den Grabräubern völlig zertrümmert worden. Das Schälchen legt eine Datierung des Befundes in die zweite Hälfte des 2. Jh. n. Chr. nahe.

Auch bei dem nächsten Grab wurde der Leichenbrand in einen Stein mit zentraler Eintiefung eingebracht. Doch handelt es sich bei diesem um einen an den äußeren Kanten nur grob behauenen, rundlichen Stein ohne weitere Grabbeigaben.

Dieses Grab wurde durch eine spätere Bestattung gestört, ein Grab, dessen Leichenbrand in einer antik beschädigten Urne mit Horizontalrand aufbewahrt wurde. Die Grabgrubeneinfüllung enthielt zahlreiche sekundär verbrannte, antik gebrochene Gefäßfragmente. Diese dürften im Zusammenhang mit dem Totenzeremoniell zu interpretieren sein. Beigegebene Gefäße oder solche, die beim Totenmahl verwendet wurden, scheinen mit dem Leichnam auf dem Scheiterhaufen gelegen zu haben. Nach der Einäscherung wartete man ab, bis die Reste der Brandbestattung abgekühlt waren und sortierte sorgfältig den Leichenbrand sowie die zerbrochenen Reste der Beigaben aus. Der Leichenbrand wurde in der Urne gesammelt und diese auf der Sohle der Grabgrube deponiert. Anschließend wurden die zerscherbten Beigaben sowie eine bronzerne Emailfibel aus dem späten 2. Jh. n. Chr. über die Urne geschüttet.

Fundstelle 2: Grob behauener Stein mit zentraler Eintiefung     city_up.gif


city_up.gif  Fundstellen 2 u. 5:
Deutlich zu erkennen ist der Umstand, dass die schwärzliche Verfärbung (Fundstelle 5) die Bestattung in Form eines Steines mit zentraler Eintiefung (Fundstelle 2) stört

Fundstellen 2 und 5:   city_up.gif
Auch ein Profil durch die beiden Fundstellen beweist, dass Fundstelle 5 Fundstelle 2 stört
 

 

city_back.gif  Fundstelle 5: die Urne mit dem darin befindlichen Leichenbrand nach der Bergung en bloc

Fundstelle 4 bezeichnet drei ohne erkennbaren Fundzusammenhang in der Grabungsfläche deponierte Gefäße. Möglicherweise waren die Gefäße auf der Sohle einer Grube positioniert, deren oberer Bereich zum Zeitpunkt der Ausgrabung bereits durch den Pflug zerstört war. Vielleicht sind die Gefäße aber auch im Rahmen des Totenzeremoniells von Fundstelle 6 bzw. Grab 5 zu sehen.

Fundstelle 4: Zu erkennen sind deutlich drei Gefäße, die ohne erkennbaren Fundzusammenhang in der Grabungsfläche deponiert waren.  city_next.gif

Grab 5 bezeichnet einen bereits vor der Ausgrabung gestörten Befund. Gefäßfragmente sowie weit gestreuter Leichenbrand geben ausreichend Grund zu der Annahme, dass es sich auch hier um eine Bestattung handelt, bei der der obere Bereich der Grabgrube bereits zerstört war.

Das bis zur Ausgrabung durch die Firma Kroisos im Februar 2000 unbekannte Gräberfeld von Fürth leistet gerade aufgrund der sehr individuellen Anlage der Bestattungen einen wichtigen Beitrag zur Gräberforschung im Saarland. Um so bedauerlicher ist, dass wichtige wissenschaftliche Aussagen durch den Eingriff der Grabräuber unwiederbringlich verloren sind.


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